
Carl Gustav Jung und sein geheimnisvolles Red Book
Carl Gustav Jung war nicht nur der berühmte Psychologe und ein Schüler Sigmund Freuds, sondern, was kaum jemand weiß, war er spirituell sehr interessiert und erlebte unendliche Visionen…
Die Hauptzeit seiner Forschungen in der Spiritualität zeigte sich im Jahre 1916 bis 1922. Er verbrachte über sechs Jahre in einer selbst-induzierten Psychose, da er darin einen Weg zu erkennen glaubte, auf dem er der inneren Wahrheit und dem höheren Selbst näherkommen könnte als jeder andere Psychologe. So lebte er für diese sechs Jahre in einem Zustand, in dem er ständig Visionen erhielt, massenweise Notizen und Zeichnungen erstellte, mit Symbolen und Erkenntnissen, und versuchte so, das Unterbewusstsein zu dekodieren.
Das Red Book und Carl Gustav Jung
Die Ergebnisse seiner Forschungen waren so spektakulär und weltbewegend, dass seine Schriften, die er der Nachwelt hinterließ, in einen Tresor in der Schweiz für über 100 Jahre verschlossen wurden. Und genau diesen Schriften will ich mich in diesem Artikel ein wenig nähern. Im Jahre 2009 wurden sie der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.
Jungs Angaben in seinem Buch, „The Red Book“, beinhaltet Elemente der Quantenphysik in Verbindung mit dem Bewusstsein des Menschen. Er stellt in seiner Theorie zudem die „Viele-Welt-Interpretation“ vor und erklärt, dass multiple Universen tatsächlich existieren. Spektakulär auch seine Aussage darin, in der er zu dem Ergebnis kam, dass unsere Welt nicht entstanden sei, sondern erschaffen wurde.
Nacht für Nacht sah er in seinen Visionen, dass sich ein jeder Mensch in einer Art Blase befindet. Hier sieht man auf dem rechten Bild (s.l.), wie der Mensch in seiner Blase sitzt und die Welt wahrnimmt. All die Vögel, Kühe, das Wasser, Symbole und Schriften. Auf dem linken Bild zeigt er, wie die Sicht innerhalb der Blase aussieht, d.h. man sieht in der Blase an der Innenwand die Welt, die ein jeder Mensch wahrnimmt.
Er nannte diese Blase das „Kosmische Ei“, das universelle Symbol für Schöpfung und Potenzial. Jung betrachtete das kosmische Ei als den Ursprung allen Lebens, das wir kennen.
Die Öffnung des Eies (286-288 – Bild 64)
In einem Auszug aus dem „Red Book“ findet man ein Bild, das Feuer zeigt, das aus der Öffnung des Eies kommt. Jung liegt vor dem zerbrochenen Ei. Er liegt auf dem Boden inmitten von Scherben von Eierschalen. Izdubar steht aufrecht, strahlend und verwandelt. Und doch werden wir in das Gewöhnliche zurückgeworfen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Jung nichts über Alchemie, aber er beginnt, in alchemistischen Begriffen zu sprechen. Der Gott wird geheilt, aber Jung bleibt zurück. Das ist der Beginn des Nigredo. Aller Geist ist aus dem Gefäß verschwunden. Alles ist nun völlig schlicht und gewöhnlich. Was bleibt ist eine Welt aus zerbrochenen Hüllen. Wenn man die schöpferische Erfahrung durchlebt, ist alles, was übrig bleibt, schöpferischer Schlamm, träge Materie. Der Gott ist erschaffen worden, und der Künstler ist leer.
Am Abend des dritten Tages kniet Jung auf seinem Teppich nieder und öffnet vorsichtig das Ei. Heraus kommt dieser strahlende Gott in seiner vollen Reife. Das schöpferische Prinzip ist so aktiviert, dass es selbständig leben kann und nicht mehr von einem Menschen genährt werden muss. Der Gott muss durch den Menschen geboren werden, in dessen Gegenwart er geschlummert hat. Durch diesen enormen schöpferischen Akt wird Gott ins Leben gerufen.
Bosnak führt das Beispiel von Martin Luther King an. In seiner berühmten „I Have a Dream“-Rede sagte er: „Ich habe das gelobte Land gesehen“. Seine ganze Vision wird in die Welt gebracht. Er hat es gesehen, das gelobte Land – und dann wird er am nächsten Tag erschossen. Hier haben wir den ultimativen schöpferischen Akt und seinen Untergang in den Tod. Während der Gott aufsteigt, geht Jung unter. Jung sagt: „Als ich den Gott besiegte, strömte seine Kraft in mich, und als er schlief, strömte ich in ihn.“
All seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse in dieser Hinsicht fasste er in einem Buch zusammen, dass als „Red Book“ bzw. als „Liber Novus“ (dt.: Das Neue Buch) bekannt ist. Ein in Leder gebundenes Manuskript, das heutzutage nicht immer einfach erhältlich ist. In erster Linie finden sich darin symbolische Mandalas, die er aus seinem Unterbewusstsein extrahiert hatte, aber auch detaillierte Grafiken seiner Visionen.
Der Gigantenbaum
Das „Red Book“ beinhaltet zudem seine Verbindung zu einem Gigantenbaum. Einem Baum, dessen Wurzeln unendlich weit in das Unterbewusstsein reichen und auch ins Bewusstsein des Menschen, wie wir es kennen. Man stelle sich dazu den Baum lokalisiert im Unterbewusstsein vor, dessen Wurzeln alles durchströmen und die Enden der Wurzeln reichen gerade mal in das Bewusstsein des Menschen hinein.
Jung schrieb dazu: „Es ist kein Baum im eigentlichen Sinne. Es wird gesagt, dieser Baum kann bis in den Himmel hinaufwachsen, so weit, dass seine Wurzeln bis in die Hölle reichen können. Er ist ein Symbol für Wachstum, Verbindung und die Integration der Gegensätze.“
Doch es ist nicht nur das „Red Book“, in dem man über seine Visionen lesen kann, sondern er verfasste auch sieben weitere Bände, die so genannten „Black Books“. In diesen stellte er hauptsächlich die Dialoge dar, die sein bewusstes Selbst mit dem Gestalten des Unterbewusstsein in seinen Visionen hielt. Es ist eine Sammlung an Tagebüchern.
Jung beschrieb darin auch über seinen Prozess, der zur Entstehung des Roten Buches führte. Es war sein schwierigstes Experiment. Er bezog sich damit auf seine anhaltende Reaktion auf eine Reihe von „Angriffen“ aus seinem Unbewussten, von denen er befürchtet hatte, sie könnten ihn überwältigen. Diese Erfahrungen begannen nach Jungs Bruch mit Sigmund Freud. Jung hielt sie in einer Reihe von Notizbüchern fest, die er später als Grundlage für das Rote Buch verwendete und in den Black Books detailliert aufführte.
In den autobiografischen Erinnerungen, Träumen und Reflexionen schrieb er: „Ein unaufhörlicher Strom von Phantasien wurde freigesetzt … . Ich stand hilflos vor einer fremden Welt; alles in ihr schien schwierig und unverständlich. Inmitten dieser psychischen Aufruhr beschloss ich, den Sinn in dem zu finden, was ich in diesen Phantasien erlebte!“
William Blake und William James als literarische Helfer
Das Material im Roten Buch stammt aus Jungs Erforschung seines Unbewussten und seinen Begegnungen mit den Werken zahlreicher kultureller Persönlichkeiten, darunter auch dem bahnbrechenden amerikanischen Philosophen und Psychologen William James (1842-1910). Das Format des Roten Buches ähnelt dem Werk des britischen Dichters und Malers William Blake (1757-1827), der ebenfalls Träume und Visionen in einer Kombination aus Text und Bild aufzeichnete und mit dessen Werken Jung vertraut war.
William James (1842-1910) und William Blake waren zu seiner Zeit genau die Menschen, dessen eigenen Forschungen Jung sehr gut gebrauchen konnte. William Blake hatte häufig dazu seine Poesie eingesetzt… und William James… man höre und staune, Lachgas benutzt. James hatte hierzu eine Flasche mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Lachgas erstellt, atmete es fast täglich ein und beobachtete dabei seine Visionen, die er daraufhin erhielt. Auch er sprach, in diesen Zuständen, von der Wahrnehmung, vieler Welten, die unserer Welt sehr ähnlich waren. Alternative Realitäten oder parallele Welten, wie wir sie heutzutage nennen würden.
William James ist noch heute bekannt für seine eindringlichen und teilweise auch spirituell-philosophischen Zitate, wie beispielsweise: „Wann immer sich zwei Menschen treffen, sind in Wirklichkeit sechs Menschen anwesend. Es gibt jeden Menschen, wie er sich selbst sieht, jeden Menschen, wie der andere ihn sieht, und jeden Menschen, wie er wirklich ist.“ oder „Um die Welt anders wahrzunehmen, müssen wir bereit sein, unser Glaubenssystem zu ändern, die Vergangenheit hinter uns zu lassen, unseren Sinn für das Jetzt zu erweitern und die Angst in unserem Kopf aufzulösen,“ aber auch „Alles, was du in deiner Vorstellung festhältst, kann Dein sein.“
William Blake dafür für seine Poesie, die teilweise in seinen Bildern, aber vorwiegend in Gedichten zum Ausdruck kamen, wie beispielsweise:
„Die unsterblichen Augen des Menschen nach innen zu öffnen,
hinein in die Welten der Gedanken, in die Ewigkeit.
Die menschliche Vorstellungskraft
dehnt sich im Schoße Gottes immer weiter aus.“
„Eine Welt in einem Sandkorn zu sehen
Und einen Himmel in einer wilden Blume,
Halte die Unendlichkeit in deiner Handfläche
Und die Ewigkeit in einer Stunde.“
Anmerkung:
Das Rote Buch, Liber Novus, ist das Werk, das der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung zwischen 1914 und etwa 1930 verfasste. Es folgt, zeichnet auf und kommentiert in Reinschrift die psychologischen Beobachtungen und Experimente des Autors an sich selbst zwischen 1913 und 1916 und stützt sich auf Arbeitsentwürfe, die in einer Reihe von Notizbüchern oder Journalen enthalten sind, die heute als die Schwarzen Bücher bekannt sind. Jung erstellte diese ab 1913 und setzte sie bis 1917 fort. Erst im Jahre 2009 wurde das Rote Buch, in Zusammenarbeit mit Jungs Nachlass von W. W. Norton, in einer Faksimile-Ausgabe mit einer englischen Übersetzung, drei Anhängen und über 1.500 redaktionellen Anmerkungen veröffentlicht. Im Dezember 2012 brachte Norton zusätzlich eine „Reader’s Edition“ des Werks heraus; diese Ausgabe im kleineren Format enthält den vollständigen übersetzten Text des Roten Buchs sowie die von Sonu Shamdasani verfasste Einleitung und Anmerkungen.
Quellen:
Wikipedia
The Red Book Study Guide
The Red Book Archiv